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Österreichische Lebensmittel sind hochwertig, sicher und in ausreichender Menge vorhanden – auch in Krisenzeiten. Doch wie wird die Qualität sichergestellt und wer kontrolliert sie? Wir haben Markus Dürrschmid, Qualitätsmanager bei der Gutscher Mühle Traismauer GmbH, dazu befragt.
Herr Dürrschmid, Sie leiten das Qualitätsmanagement bei Gutscher Mühle, einem Hersteller von Müsli, Riegel- und Snack-Produkten. Was umfasst Ihr Aufgabengebiet in diesem Bereich?
Markus Dürrschmid: Die Aufgaben im Qualitätsmanagement sind vielfältig. Im Wesentlichen kümmere ich mich um die Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit, den Produktschutz sowie den Schutz vor Lebensmittelbetrug und -verfälschung. Mein Zuständigkeitsbereich ist also sehr umfassend und reicht von der Qualitätskontrolle über die Qualitätssicherung bis hin zur Sensorik von Produkten.
Was bedeutet Qualität in Bezug auf ein Lebensmittel?
Dürrschmid: Der Qualitätsbegriff umfasst alle Eigenschaften eines Produkts. Dazu gehört nicht nur das Lebensmittel selbst, sondern noch viel mehr. Also beispielsweise auch eine einwandfreie Verpackung, die zum Beispiel eine Konformitätsbescheinigung aufweisen muss, aber auch das gesamte Feld der Rezeptur – etwa wie die Zutaten zusammenspielen, um den Geschmack oder die Textur eines Lebensmittels zu formen.
Rohstoffe in passender Güte und Menge sind essenziell. Welchen Herausforderungen sehen sich Lebensmittelhersteller bei der Beschaffung gegenüber?
Dürrschmid: Durch die jüngsten Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten und die veränderten Erwartungshaltungen wurde der Spielraum in der Beschaffung deutlich eingeschränkt. Das hängt einerseits mit dem Trend zum „Regional Sourcing“ zusammen – also dem Einkauf von Rohstoffen möglichst in der Region oder im Inland. Andererseits wird zu Recht die Einhaltung von Sozialstandards auf allen Ebenen der Beschaffungskette eingefordert. Was das Ganze zusätzlich erschwert: Für die Lebensmittelproduktion notwendige Rohstoffe kommen teilweise aus Gegenden, in denen man nicht einfach mal rasch mit dem Flugzeug vorbeischauen kann.
Auch Naturereignisse können mitunter die Beschaffung von Rohstoffen beeinflussen. Gibt es hier konkrete Beispiele?
Dürrschmid: Im Anbauprozess können immer wieder Probleme entstehen – beispielsweise durch Unwetter, Überflutungen oder Hagelschlag. Die Folge sind lokale Ernteausfälle. Um sich abzusichern, versucht man, sich in der Beschaffung möglichst breit aufzustellen. Problematisch ist das bei Rohstoffen, die weltweit nur ein Hauptanbaugebiet haben. Vor Jahren vernichtete beispielsweise ein schwerer Sturm den Großteil der Vanilleanbaukulturen auf Madagaskar. Alle, die mit echter Vanille arbeiteten und sie benötigten, hatten plötzlich ein Lieferproblem. Mit solchen Themen ist jeder Hersteller konfrontiert und solche Ereignisse sind auch nicht prognostizierbar.
Wie wird die Sicherheit von Lebensmitteln in Österreich und Europa sichergestellt?
Dürrschmid: Fest steht: Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute. Es gibt eine Vielzahl an EU-Verordnungen und -Richtlinien, die viele Aspekte der Lebensmittelsicherheit regeln. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) führt Risikobewertungen durch. In Österreich obliegt die Durchführung von Kontrollen den Lebensmitteluntersuchungsanstalten und Lebensmittelkontrollstellen. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wacht über die Einhaltung und ist in vielen Fällen das Referenzlabor für Untersuchungen.
Fest steht: Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute. Es gibt eine Vielzahl an EU-Verordnungen und -Richtlinien, die viele Aspekte der Lebensmittelsicherheit regeln.
Markus Dürrschmid, Quality Manager & Head of Purchasing der Gutscher Mühle Traismauer GmbH
Wie kann man sich solche Lebensmittelkontrollen vorstellen?
Dürrschmid: Einerseits haben wir Einfuhrkontrollen, bei denen Container geöffnet und Proben entnommen werden. In der nationalen Lebensmittelüberwachung arbeitet man zudem nach einem risikobasierten Prüfplan. Da werden Unternehmen je nach Risikogewichtung besucht und Muster von Produkten oder Rohstoffen gezogen. Dazu kommen Schwerpunktaktionen zu bestimmten Rohstoffen oder Warengruppen. Es gibt aber auch Probenziehungen im Supermarkt. Bei fertig verpackten Produkten achtet die Behörde darauf, dass sämtliche gesetzliche Vorgaben und Vorschriften eingehalten werden, etwa in Hinblick auf die Nährwertkennzeichnung.
Wie schätzen Sie nationale Sonderregelungen, zum Beispiel zu Inhaltsstoffen oder der Herkunft von Lebensmitteln, ein?
Dürrschmid: Der Hauptteil des Lebensmittelrechts ist auf europäischer Ebene geregelt. Das ist essenziell für einen funktionierenden Binnenmarkt und gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen. Die zunehmenden Alleingänge einzelner Länder sind problematisch. Derzeit sind beispielsweise Nährwertkennzeichnungen und Regelungen zu gesättigten Fettsäuren stark in Diskussion. Wenn dann kleinere EU-Staaten wie Dänemark oder Österreich Sonderregelungen vorgeben, heißt das, dass wir für diese Märkte eigene Rezepturen, Produkte und mitunter auch Verpackungen kreieren müssen. Zudem wird es immer schwieriger, alle rechtlichen Vorgaben zu überblicken.
Der Hauptteil des Lebensmittelrechts ist auf europäischer Ebene geregelt. Das ist essenziell für einen funktionierenden Binnenmarkt und gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen. Die zunehmenden Alleingänge einzelner Länder sind problematisch.
Markus Dürrschmid, Quality Manager & Head of Purchasing der Gutscher Mühle Traismauer GmbH
Viele Hersteller setzen auf die Zertifizierung nach internationalen Qualitäts- und Sicherheitsstandards – wie dem IFS Food Standard oder dem BRC Standard für Lebensmittelsicherheit. Welchen Stellenwert haben solche Standards im Qualitätsmanagement?
Dürrschmid: In der Global Food Safety Initiative (GFSI) sind verschiedene Standards zusammengefasst, darunter auch IFS oder BRC. Sie bieten dem Handel Indikatoren über die Leistungsfähigkeit von Lebensmittelherstellern. Zugleich können sie aber auch problematisch sein, weil sie Unternehmen ein sehr strenges Korsett anlegen. Trotzdem sind diese Standards wichtig, denn sie haben zur Verbreitung gewisser Werkzeuge des Qualitätsmanagements in den Betrieben beigetragen – Stichwort Hygienesysteme (HACCP). Außerdem haben sich dadurch Themen wie Food Fraud (Lebensmittelbetrug) oder Food Defense (Produktschutz) schneller durchgesetzt.
Die Coronakrise hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Verfügbarkeit sicherer Lebensmittel ist. Wie gelingt es, diese selbst unter erschwerten Bedingungen sicherzustellen?
Dürrschmid: Die Coronakrise ist keine Lebensmittelkrise, sondern eine gesundheitliche Krise. So gesehen sollte die Lebensmittelsicherheit nicht darunter leiden. Was aber sehr wohl passiert ist: Gewisse Rohstoffe, Verpackungsmaterialien und Hilfsstoffe waren nicht mehr verfügbar oder schwieriger zu beschaffen. Außerdem gelangten wesentlich mehr verpackte Lebensmittel in den Markt als zuvor, als ein Teil über die Gastronomie und Großküchen abgegeben wurde. In Großbritannien war es beispielsweise schwer, 1-Kilo-Mehlpackungen zu bekommen – der Großteil der Mehlproduzenten verkauft normalerweise Großgebinde an Bäckereien oder Restaurants. In Österreich war das anders: Unsere Mühlenbetriebe hatten passende Abpackstraßen zur Verfügung, um die gestiegene Nachfrage auszugleichen.
Wie sieht die Zukunft bei den Methoden zur Lebensmittelanalyse aus? Welche Entwicklungen sehen Sie hier?
Dürrschmid: Gerade im Bereich der Immunanalytik tut sich einiges – etwa bei antikörperbasierten Nachweisverfahren wie ELISA zum Aufspüren von Allergenen oder Schimmelpilzgiften. Spannende Möglichkeiten ergeben sich aber auch durch die Isotopenuntersuchung: Damit lässt sich die Herkunft und Echtheit von Lebensmitteln nachweisen. Wir haben das Glück, dass wir in Österreich sehr gute Labors haben. Es gibt auch neue Methoden der Qualitätskontrolle mittels Apparaturen. So bietet ein österreichischer Hersteller eine auf optischer Erkennung basierende Technologie an, die bei Kartoffeln und anderen Produkten Fehlstellen finden kann. Was ich mir persönlich noch wünsche, ist ein schneller Test für mikrobiologische Untersuchungen von Lebendkeimen. Damit ließe sich rascher feststellen, ob ein Lebensmittel mikrobiologisch sicher ist.
Dr. Markus Dürrschmid ist seit 2003 Qualitätsmanager bei Gutscher Mühle. Er entwickelte federführend das Qualitätswesen und führte das Unternehmen zur Zertifizierung nach IFS und BRC. Außerdem ist er für die Bereiche Einkauf, Krisenmanagement sowie Halal und Koscher zuständig. Davor forschte Dürrschmid an der Universität für Bodenkultur Wien und war als Management Trainee bei Mars tätig.
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