Nahaufnahme einer Frau, die Balsamico-Essig mit einem Glasinstrument aus einem Holzfass entnimmt.

Foto: Max / Adobe Stock

Herstellung

Wie wird Essig hergestellt?

Essig entsteht durch Fermentation – ein natürlicher Prozess, bei dem Alkohol in Essigsäure umgewandelt wird. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Herstellung von Essig funktioniert, welche Verfahren es gibt und was jede Methode ausmacht.

Essig ist nicht gleich Essig: Die große Bandbreite verschiedener Sorten spiegelt sich auch in ihren Verwendungsmöglichkeiten wider – von Dressings und Marinaden über Saucen und Eintöpfe bis zum Haltbarmachen und Reinigen. Auch die Herstellungsverfahren sind unterschiedlich und variieren beispielsweise in Technik und Dauer. Wir erklären, wie Essig durch Fermentation entsteht, welche Herstellungsverfahren zum Einsatz kommen und welche Besonderheiten jede Methode mit sich bringt. Jürgen Brettschneider, Geschäftsführer von Mautner Markhof, gibt außerdem praktische Einblicke und verrät spannendes Hintergrundwissen rund um die Essiggewinnung. 

Mautner Markhof Geschäftsführer Jürgen Brettschneider verkostet Essig, dahinter viele nebeneinander und aufeinander gestapelte Essig-Holzfässer.

Mautner Markhof-Geschäftsführer Jürgen Brettschneider teilt in diesem Beitrag interessante Fakten rund um die Essigherstellung. Foto: Mautner Markhof

Der Fermentationsprozess: So entsteht Essig

Die Herstellung von Essig basiert auf einem natürlichen, zweistufigen mikrobiellen Gärungsprozess, bei dem Zucker zunächst in Alkohol und anschließend in Essigsäure umgewandelt wird. Beide Stufen werden durch Mikroorganismen gesteuert, benötigen aber unterschiedliche Bedingungen:

1. Stufe: Alkoholische Gärung – Zucker wird zu Alkohol

  • Ausgangsprodukt: Zuckerhaltige Flüssigkeiten wie Fruchtsaft, Getreidemaische oder Wein
  • Mikroorganismen: Hefen
  • Ablauf: Die Hefen wandeln Zucker (Glukose, Fruktose) in Alkohol und Kohlendioxid um. Dieser Prozess findet ohne Sauerstoff statt.
  • Beispiel: Apfelsaft wird zunächst zu Apfelwein vergoren.

2. Stufe: Essigsäuregärung – Alkohol wird zu Essigsäure

  • Ausgangsprodukt: Alkohol
  • Mikroorganismen: Essigsäurebakterien
  • Ablauf: Die Essigsäurebakterien oxidieren den Alkohol aus der alkoholischen Gärung zu Essigsäure. Für diesen Prozess ist die Zufuhr von Sauerstoff notwendig. Die Essigsäure reichert sich in der Flüssigkeit an, bis ein bestimmter Säuregehalt erreicht ist – dieser liegt in etwa bei 5 bis 15 Prozent. Die optimale Temperatur für die Essigsäuregärung beträgt zwischen 25 bis 30 Grad Celsius.
  • Beispiel: Aus dem vergorenen Apfelwein wird Apfelessig.
     

In traditionellen Verfahren finden diese Schritte nacheinander statt – zuerst erfolgt die alkoholische Gärung (zum Beispiel durch natürliche Hefen in Most oder Wein), danach beginnt bei Kontakt mit Sauerstoff automatisch die Essigsäuregärung.

In industriellen Verfahren wird häufig eine bereits vergorene alkoholhaltige Flüssigkeit wie Wein oder Branntwein verwendet, welcher gezielt Essigsäurebakterien hinzugefügt werden. Der anschließende Gärungsprozess findet unter kontrollierten Bedingungen statt.

Methoden zur Essigherstellung: Welche Verfahren gibt es und wie funktionieren sie?

Drei Holzfässer zur Herstellung von Balsamico-Essig.

Essig kann durch unterschiedliche Verfahren gewonnen werden. Das Oberflächenverfahren oder Orléansverfahren gilt als die älteste Methode zur Essigherstellung. Sie kann monatelang dauern und wird beispielsweise zur Gewinnung von Balsamico-Essig eingesetzt. Foto: Paolo Gualdi / Adobe Stock

Oberflächenverfahren (Orléansverfahren)

Das Orléansverfahren ist die älteste Methode der Essigherstellung, bei der die Essigsäurebakterien beziehungsweise die Essigmutter an der Oberfläche der gärenden Flüssigkeit schwimmen. Dieser Prozess benötigt viel Zeit und kann mehrere Monate oder Jahre dauern. Die Gärung ist – anders als bei industriellen Verfahren – nicht vollständig kontrollierbar, weshalb es zu Qualitätsschwankungen kommen kann. Um die Gärung im Gange zu halten, werden regelmäßig kleine Mengen der alkoholhaltigen Flüssigkeit (etwa Wein oder Most) hinzugefügt.

Was ist eine Essigmutter?

Eine Essigmutter ist eine geleeartige Masse oder Ablagerung aus Essigsäurebakterien und Zellulose, die sich bei der natürlichen Gärung von alkoholischen Flüssigkeiten bildet. Sie kann auch als Starterkultur in einer alkoholhaltigen Flüssigkeit wie Wein genutzt werden, um die Essigbildung zu beschleunigen.

Nahaufnahme einer Essigmutter in einem Vorratsglas.

Bei der natürlichen Gärung alkoholischer Flüssigkeiten bildet sich an der Oberfläche eine sogenannte Essigmutter. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Essig nicht mehr genießbar ist. Foto: Tacca Terra / Adobe Stock

Insider-Wissen

  • Eine sichtbare Essigmutter im Produkt führt oftmals dazu, dass die Essige fälschlicherweise als verdorben angesehen werden.
  • In der Essigmanufaktur wird die Essigmutter oft weiterverwendet oder sogar gezielt gezüchtet.
  • Manche Hersteller lassen bewusst kleine Mengen der Essigmutter im Produkt, um die Authentizität zu betonen – besonders bei Bio- oder Rohessigen.

Fesselverfahren

Das Fesselverfahren gilt als Übergangsform zur industriellen Essigherstellung. Hierbei werden die Bakterien an ein Trägermaterial, zum Beispiel Holzspäne, fixiert („gefesselt“) und in regelmäßigen Intervallen mit der alkoholischen Flüssigkeit besprüht. In den Sprühpausen gelangt genügend Sauerstoff zu den Bakterien. Im Laufe mehrerer Tage wandelt sich die Flüssigkeit in Essig um. Diese Methode war früher verbreitet, wird heute jedoch nur mehr selten eingesetzt. 

Insider-Wissen

Essige, die mit dem Fesselverfahren gewonnen wurden, waren auch lange Zeit als „Buchenspanessig“ bekannt, da die verwendeten Holzspäne vorwiegend aus Buchenholz stammten.

Generatorverfahren (Schnellessigverfahren)

Das Generatorverfahren – auch Rieselverfahren genannt – nutzt säulenförmige Behälter, die mit Holzwolle oder Holzspänen gefüllt sind. Auf diesen Holzspänen befinden sich Essigsäurebakterien. Die alkoholische Flüssigkeit rieselt langsam von oben nach unten, während gleichzeitig Luft zugeführt wird. Durch den Kontakt mit den Bakterien wird der Alkohol in Essigsäure umgewandelt. Das Verfahren ist schneller als die Orléansmethode und bringt stabilere Ergebnisse hervor, auch wenn die Qualität variieren kann.

Eine Reihe von Edelstahlfermentern, sogenannter Acetatoren, in einem Produktionsbetrieb zur Herstellung von Essig.

Die Herstellung in Edelstahlfermentern, sogenannten Acetatoren, hat den Vorteil, dass die Gärung optimal gesteuert werden kann und große Mengen an Essig in gleichbleibender Qualität erzeugt werden können. Foto: Nordroden / iStock

Submersverfahren (Acetatorverfahren)

Das Submersverfahren ist die am häufigsten genutzte Methode in der industriellen Essigproduktion. Hierbei erfolgt die Gärung in geschlossenen Edelstahlfermentern, sogenannten Acetatoren, denen Sauerstoff zugeführt wird. Die Essigsäurebakterien schwimmen frei in der Flüssigkeit und können den enthaltenen Alkohol innerhalb von 1 bis 3 Tagen vollständig zu Essigsäure umwandeln. Diese Methode liefert große Mengen bei gleichbleibender Qualität, da der Gärungsprozess optimal gesteuert werden kann.

Insider-Wissen

Viele Unternehmen setzen beim Submersverfahren auf eigene Bakterienstämme, welche dem Produkt - speziell bei Fruchtessigen oder Weinessigen - eine charakteristische Geschmacksnote verleihen.

Bei Mautner Markhof werden mit dieser Methode Apfelessig, Weingeistessig sowie Rot- und Weißweinessig erzeugt.

Nahaufnahme einer Hand, die dunklen Essig aus einem Holzfass mit einem Glasinstrument entnimmt und in einen kleinen Glasbehälter füllt.

Das Soleraverfahren ist streng genommen eine Reifemethode. Dabei wird eine kleine Menge an Essig, der bereits länger gereift ist, mit jüngerem Essig gemischt. Foto: tenzinsherab / iStock

Soleraverfahren

Das Soleraverfahren stammt ursprünglich aus der Sherryproduktion, wird aber auch bei hochwertigen Essigen wie Sherryessig oder Aceto Balsamico Tradizionale di Modena eingesetzt. Es handelt sich genau genommen nicht um ein Gärverfahren, sondern um eine kontrollierte Reifemethode nach der eigentlichen Fermentation. Eine kleine Menge älteren, bereits länger gereiften Essigs wird dem Holzfass entnommen und mit jüngerem Essig gemischt. Die kontinuierliche Mischung aus alten und jungen Essigen bringt hochwertige Produkte mit komplexen Aromen und einem harmonischen Geschmack hervor.

Insider-Wissen

Das Soleraverfahren erfordert ein besonders gutes Fassmanagement. Dafür sind insbesondere kleine Fässer gut geeignet.

Synthetische Herstellung von Essig

Neben der natürlichen Gärung ist es auch möglich, Essigsäure auf chemische Weise herzustellen. Dabei wird Acetaldehyd (beziehungsweise Essigsäurealdehyd), eine farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit, in einem Oxidationsprozess zu Essigsäure umgewandelt – ganz ohne Mikroorganismen. Diese synthetisch hergestellte Essigsäure ist besonders rein, geschmacksneutral und wird nicht als Lebensmittel-Essig verwendet, da sie keine natürlichen Aromastoffe enthält. Stattdessen kommt sie etwa als Reinigungsmittel (beispielsweise Essigreiniger) zum Einsatz.

Fazit: Unterschiedliche Verfahren für verschiedene Ansprüche

Die Essigherstellung ist vielseitig: Der Prozess erfolgt entweder biologisch durch Fermentation oder chemisch durch industrielle Oxidation. Essigerzeuger setzen oft mehrere unterschiedliche Verfahren zur Herstellung ihrer Produkte ein. Während traditionelle Methoden wie die Orléansmethode lange Gärungs- und Reifezeiten benötigen, dafür aber besonders hochwertige, aromatische Essige hervorbringen, ermöglichen moderne Schnellverfahren wie das Submersverfahren eine effiziente Produktion großer Mengen. Synthetisch hergestellte Essigsäure hingegen wird nicht für den Verzehr hergestellt, sondern beispielsweise als Reinigungsmittel verwendet.

  • Schriftliche Fragen an Jürgen Brettschneider, Geschäftsführer von Mautner Markhof (September 2025).

    ernährung heute 1/2025: Faszination Fermentation.

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