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Natürliches Mineralwasser: Geschmack aus der Tiefe

Wie wirkt sich Geologie auf den Geschmack von Mineralwasser aus? Was macht natürliches Mineralwasser so besonders? Und wie kann die nachhaltige Gewinnung funktionieren? Sebastian Rau, Geologe und Experte für natürliches Mineralwasser, im Gespräch.

Herr Rau, als diplomierter Geologe und Experte für Qualitätssicherung beim SGS Institut Fresenius sind Sie tief in der Welt des Mineralwassers verwurzelt. Was macht natürliches Mineralwasser für Sie besonders – insbesondere im Vergleich zu anderen Wasserarten?

Sebastian Rau: Natürliches Mineralwasser ist für mich ein besonders faszinierendes Werk der Natur. Es ist ein ursprüngliches Produkt, das ohne menschliches Zutun entsteht und tief im Untergrund geschützt gespeichert ist. Diese Reinheit und Authentizität machen es zu einem einzigartigen Genussmittel. Es ist eine echte Herausforderung, Grundwasserquellen, die von Natur aus rein und vor Umwelteinflüssen geschützt sind, zu finden. Die Suche und Erschließung verlangen viel Zeit und Wissen.


Wie bildet sich natürliches Mineralwasser?

Rau: Die Entstehung von Mineralwasser beginnt mit dem Versickern von Niederschlägen. Diese wandern durch verschiedene Bodenschichten – vom lockeren Erdreich bis zu festen Gesteinen in großen Tiefen. Dabei wird das Wasser gefiltert, ähnlich wie bei einem Kaffeefilter. Zusätzlich löst das Wasser Mineralstoffe aus den Gesteinen. Dieser Prozess kann Jahre, Jahrzehnte oder sogar Jahrtausende dauern und das Wasser bis in Tiefen von 1.000 Metern vordringen. Die Art der Gesteine und die Dauer dieser Prozesse beeinflussen die Mineralstoffzusammensetzung und somit den Geschmack.
 

Welche Parameter beeinflussen die Entstehung von natürlichem Mineralwasser noch?

Rau: Verschiedene Faktoren wie Gesteinstypen im Untergrund, die in zunehmender Tiefe steigende Temperatur und geografische Lage des Neubildungsgebietes spielen eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich sammelt sich das Wasser in einem geschützten Grundwasserleiter, auch Aquifer genannt. Das sind Gesteinskörper mit Poren, Spalten und Rissen, die Grundwasser leiten können. Über einer solchen wasserführenden Schicht muss eine mehr oder weniger wasserundurchdringliche Schicht liegen, um Verunreinigungen von oben zu verhindern. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Mineralwässern.

Das Kohlenstoffdioxid ist ein weiterer Faktor. Es entsteht in der Regel durch die Abkühlung von Lava und kommt häufig in Gebieten mit ehemaligem Vulkanismus vor. Aus großen Tiefen steigt das Gas im Untergrund langsam nach oben. Wenn es auf einen Grundwasserleiter trifft, bildet sich so die Kohlensäure. Säurehaltiges Grundwasser ist besser in der Lage, größere Mengen an Mineralien aus den Gesteinen zu lösen und damit die Charakteristik des Mineralwassers zu prägen. Auch die Temperatur im Untergrund ist ein Faktor: Je höher diese ist, desto mehr Mineralstoffe lösen sich und gehen ins Wasser über.


Was sind konkrete Beispiele, wie sich die Geologie im Geschmack von natürlichem Mineralwasser widerspiegelt?

Rau: Die Unterschiede im Geschmack von Mineralwässern sind hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: die enthaltenen Mineralstoffe und die Kohlensäuremenge. Die Geologie des Untergrunds bestimmt, welche Mineralien das Wasser aufnimmt. In Regionen mit homogenen Gesteinsschichten bilden sich in der Regel ähnliche Mineralwässer mit vorherrschenden Mineralstoffen wie Calcium, Magnesium, Natrium, Sulfat oder Hydrogencarbonat.

In Gebieten mit unterschiedlichen Gesteinsschichten können jedoch auch verschiedene Mineralwasserarten am selben Ort entstehen, die vertikal übereinander in verschiedenen Zusammensetzungen auftreten. Zum Beispiel enthalten Mineralwässer aus Kalkgesteinen tendenziell mehr Calcium, während salzhaltige Erdschichten Natrium und Chlorid an das Wasser abgeben. Je nachdem, wo sich das Wasser sammelt, nimmt es so unterschiedliche Mineralien auf. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Geschmacksprofilen wider.

Die Unterschiede im Geschmack von Mineralwässern sind hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: die enthaltenen Mineralstoffe und die Kohlensäuremenge.

Sebastian Rau, Customer Service Manager und Teamleiter im Bereich Getränke sowie Standortleiter SGS Taunusstein/SGS Institut Fresenius GmbH

Wie wirken sich klimatische Veränderungen auf geologische Bedingungen und die Verfügbarkeit von Mineralwasser aus? Und wie kann entgegengewirkt werden?

Rau: Klimatische Veränderungen werden langfristig Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Mineralwasser haben – das steht fest. Diese Prozesse verlaufen im Untergrund aber gedämpft und langsam, weshalb sie oft noch kaum spürbar sind. In manchen Regionen bemerken wir aber bereits, dass im Vergleich zu früher weniger oder seltener auch mehr Wasser aufgrund der veränderten Verteilung von Niederschlägen verfügbar ist.

Die nachhaltige Gewinnung von Mineralwasser erfordert stets eine sorgfältige Abwägung zwischen Ressourcenschutz und -nutzung: Es darf nicht mehr Grundwasser aus den Erdschichten entnommen werden, als sich an gleicher Stelle neu bildet. Dies wird etwa durch strenge behördliche Entnahmeregelungen sichergestellt. Bevor ein Wasserrecht zur Nutzung des Mineralwassers erteilt wird, muss mit aufwändigen Pumpversuchen und mathematischen Simulationen die jährliche Neubildungsrate des Mineralwassers berechnet werden. Darauf aufbauend wird festgelegt, wie viel Grundwasser über einen bestimmten Zeitraum hinweg entnommen werden darf. Zusammen mit einer kontinuierlichen Beobachtung der Wasserspiegel während der Nutzung wird so sichergestellt, dass die Grundwasserressourcen nicht überbeansprucht werden.


Wie wird die hohe Qualität von Mineralwasser garantiert? Welche Vorschriften und Prozesse gibt es?

Rau: Mineralwasser hat ja bereits von Natur aus eine einwandfreie Qualität – das ist sozusagen das Markenzeichen dieses Produktes. Die hohe Qualität gilt es im Prozess bis zur Abfüllung aufrechtzuerhalten. Hygiene und Sicherheit haben oberste Priorität, um die ursprüngliche Reinheit von natürlichem Mineralwasser auf dem Weg vom Brunnen zur Flasche zu gewährleisten. Dies wird durch strenge Hygienevorschriften – wie etwa das Kontrollsystem HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points) – in den Mineralbrunnen sichergestellt. Und: Jedes Mineralwasser in der Europäischen Union muss amtlich anerkannt werden, bevor es in den Verkehr gebracht werden darf. Der sorgfältige und aufwändige Prüfungsprozess dauert in der Regel Monate bis Jahre. Erst dann erhält das Natürliche Mineralwasser die begehrte amtliche Anerkennung und darf in verbrauchergerechten Behältnissen vermarktet werden.

Hygiene und Sicherheit besitzen die oberste Priorität, um die ursprüngliche Reinheit von natürlichem Mineralwasser zu gewährleisten.

Sebastian Rau, Customer Service Manager und Teamleiter im Bereich Getränke sowie Standortleiter SGS Taunusstein/SGS Institut Fresenius GmbH

Wie sehen Sie Leitungswasser im Vergleich zu natürlichem Mineralwasser – insbesondere in Bezug auf Qualität und Sicherheit?

Rau: Das sind zwei Produkte mit komplett unterschiedlichem Hintergrund. Der Weg des Leitungswassers ist etwas anders: Trinkwasser einwandfreier Qualität wird im Wasserwerk in der Regel durch Aufbereitung hergestellt und muss stets in sehr großen Mengen zur Verfügung stehen. Durch lange Leitungen wird es vom Wasserwerk bis zum heimischen Wasserhahn transportiert. Das wichtigste Kriterium für Leitungswasser ist der Anspruch, der Gesundheit nicht zu schaden. Welchen Einfluss vor allem die heimischen Installationen auf das Leitungswasser haben, wird in der Regel nicht geprüft.

Mineralwasser ist hingegen ein extrem sicheres und hoch qualitatives Naturprodukt – weil es im Grunde direkt von der Quelle in die Flasche hineingefüllt wird. Erst der Endverbraucher öffnet die Flasche wieder. Fest steht: Sowohl Natürliches Mineralwasser als auch Trink- und Leitungswasser haben ihre Vorteile und wir brauchen definitiv beides!


Können Sie uns Beispiele für innovative geologische Ansätze oder Technologien nennen, die für die nachhaltige Wassergewinnung genutzt werden?

Rau: Heutzutage werden viele mathematische Simulationsmodelle eingesetzt – etwa um zu schauen, wie sich die Wasserressourcen langfristig entwickeln. Diese werden immer feiner und komplexer. Der Ursprungsgedanke bleibt aber stets der gleiche: Wir müssen und wollen unsere Grundwasserressourcen schützen und dürfen sie nicht überfordern. Denn ohne Wasser können wir nicht leben!


Seit über 30 Jahren beschäftigen Sie sich mit dem Naturprodukt Mineralwasser. Wie kam es dazu, dass Sie heute ein Spezialist auf diesem Gebiet sind?

Rau: Als Geologe beschäftigt man sich mit den Erdschichten und Prozessen im Untergrund. Das Vorhandensein von Wasser ist oft ein wichtiger Aspekt wissenschaftlicher Untersuchungen. So begann auch meine Reise: Ich habe mich zunächst mit den Gesteinen auseinandergesetzt und bin allmählich in die Hydrogeologie eingetaucht. Mein Fokus lag auf der Entwicklung von Grundwassermodellen – mit diesen wird erforscht, wie sich Wasser im Untergrund bewegt. Über die Erschließung und Pflege von Mineral- sowie Heilwässern führte mich mein Weg schließlich zum SGS Institut Fresenius, wo ich nun seit zwölf Jahren mit großer Begeisterung für die Prüfung von Mineralwässern aus der ganzen Welt zuständig bin.

Über Sebastian Rau

Sebastian Rau ist Customer Service Manager und Teamleiter im Bereich Getränke sowie Standortleiter am SGS Institut Fresenius in Taunusstein. Dort unterstützt er Getränkehersteller aus aller Welt sowie nationale und internationale Verbände und NGOs – von Beratung, Tests, Geschäftsentwicklung bis zur Problemlösung. Vor seinem Einstieg in die Arbeitswelt hat Rau Geologie an der Universität Freiburg sowie Geowissenschaften an der University of Massachusetts in den USA studiert. Der diplomierte Geologe hat bereits mehr als 30 Jahre Erfahrung mit Grundwasser und natürlichem Mineralwasser.

  • Interview mit Sebastian Rau, Customer Service Manager und Teamleiter im Bereich Getränke sowie Standortleiter SGS Taunusstein/SGS Institut Fresenius GmbH im März 2024
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