In Zeiten der Klimakrise ist Kunststoff immer häufiger Teil öffentlicher Debatten. Fakt ist jedoch: Wenn es um die Verpackung von Lebensmitteln geht, ist kein anderer Werkstoff so vielseitig einsetzbar. Kunststoffe sind leicht, haltbar und vergleichsweise günstig. Bei der Entwicklung nachhaltiger Alternativen setzen viele Hersteller auf Biokunststoffe.
Biokunststoffe im Überblick
Biokunststoffe – auch Biopolymere – bezeichnen eine neuartige Klasse von Materialien. Sie werden entweder aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen erzeugt oder sind biologisch abbaubar. Je nach Abbaubarkeit lassen sich Biokunststoffe wie folgt einteilen:
- Biologisch abbaubare Biokunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe oder erdölbasierter (fossiler) Rohstoffe
- Biologisch nicht abbaubare Biokunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe
Der Anteil von Biokunststoffen auf den weltweiten Kunststoffmärkten liegt derzeit bei rund 2 Prozent. Die meisten Biokunststoffe sind biobasiert oder biogen – das heißt: Sie werden ganz oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt (siehe die europäische Norm EN 16575). Die wichtigsten Ressourcen sind Getreide – zum Beispiel Mais oder Weizen – und Holz sowie Produkte aus der Zuckerherstellung wie Zuckerrohr, Rüben und Melasse. Darüber hinaus werden auch weitere Ausgangsprodukte wie Lebensmittelabfälle oder gezüchtete Kulturen auf der Basis von Organismen wie Pilzen getestet und weiterentwickelt.
Warum eigentlich Biokunststoff?
Biokunststoffe bieten eine Reihe von technischen und ökologischen Vorteilen. Biobasierte Biokunststoffe helfen, CO2-Emissionen zu senken und haben das Potenzial, in manchen Bereichen (wie bei Obst- und Gemüsefolien oder -netzen) erdölbasierte Kunststoffe zu ersetzen. Biokunststoffe lassen sich entweder recyceln oder energetisch verwerten. Gut biologisch abbaubare Biokunststoffe sind in industriellen Kompostieranlagen verarbeitbar.
Biologisch abbaubare Biokunststoffe eignen sich aktuell vor allem für Lebensmittel mit geringer Haltbarkeit. Ein Beispiel sind Frischhaltebeutel für Obst, Gemüse oder Gebäck. Sie schützen das natürliche Aroma des Inhalts und halten diesen länger frisch. Nicht biologisch abbaubare Biokunststoffe wie Bio-PET können herkömmlichem Kunststoff beigemischt werden und so dessen Umweltauswirkungen verbessern.
Hintergrundwissen: Biologisch abbaubar oder kompostierbar?
Bei der Beschreibung umweltfreundlicher Verpackungen finden sich häufig zwei Begriffe: biologisch abbaubar und kompostierbar. Das ist der Unterschied:
- Biologisch abbaubar bedeutet, dass sich ein Material auf natürliche Art (mit oder ohne Sauerstoff) zersetzt. Um die Bezeichnung „biologisch abbaubar“ zu führen, hat ein Produkt bestimmte Normen zu erfüllen (EN 14995, EN 13432, ASTM D 6400-19). Diese legen fest, unter welchen Bedingungen und in welchem Zeitraum sich der Stoff abbauen muss.
- Kompostierbar bezeichnet die Methode des Abbaus. Dabei zersetzen Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien Abfälle unter Sauerstoffeinfluss. Bei einer qualitativen und gut designten biokompatiblen Verpackung bleiben am Ende nur noch Kohlendioxid, Wasser, Methan, Biomasse oder Mineralsalze übrig Die industrielle Kompostierung erfolgt unter konstanten Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit, Mikroorganismen). Das beschleunigt den Abbau erheblich im Vergleich zum Hauskompost.
Biologisch abbaubare Biokunststoffe
Biologisch abbaubare Biokunststoffe können sowohl aus pflanzlichen als auch aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Für die Abbaubarkeit entscheidend ist nur die chemische Struktur. Der Großteil dieser Werkstoffe fällt in eine der folgenden vier Gruppen:
- Stärkewerkstoffe: Thermoplastische Stärke (TPS) ist ein nicht hitzebeständiger Biokunststoff. Er wird aus der Stärke von Pflanzen wie Weizen, Kartoffeln oder Mais gewonnen. Aus diesem Material werden zum Beispiel Folien oder Tragtaschen hergestellt.
- Zellulosewerkstoffe: Biokunststoffe auf Zellulosebasis werden hauptsächlich aus Holz, seltener auch aus Baumwolle, Flachs, Hanf oder Sisal, hergestellt. Sie kommen unter anderem bei Folien oder Zellulosenetzen zum Einsatz.
- Milchsäurewerkstoffe: Polymilchsäure (Poliactic Acid – PLA) ist ein fester, transparenter Stoff, der durch Fermentation von Zucker oder Stärke zu Milchsäure entsteht. Dieser Biokunststoff findet sich etwa in Tüten oder Getränkebechern.
- Bakterien- oder pilzbasierte Werkstoffe: Polyhydroxyalkanoate (PHA) sind mithilfe von Bakterien oder Pilzen gewonnene Biokunststoffe. Sie sind verhältnismäßig sauerstoffdicht und eignen sich beispielsweise als Material für Becher, Getränkeflaschen oder Dosen.

Biologisch abbaubare Biokunststoffe müssen sich unter definierten Bedingungen in einem bestimmten Zeitraum zersetzen. Foto: zeljkosantrac / iStock
Beispiele für biologisch abbaubare Biokunststoffe
Biologisch abbaubare Kunststoffe sind bei Lebensmittelverpackungen vielfältig einsetzbar. Ein Beispiel ist der 2018 am Markt eingeführte Biokunststoff AGENACOMP. Er ist ein Verbund aus thermoplastischer Stärke und biologisch abbaubarem Polyester und soll dadurch kein Mikroplastik in der Umwelt hinterlassen. Das Material eignet sich für Knotenbeutel für Obst und Gemüse ebenso wie für Tragtaschen oder Verpackungsfolien. Weitere Beispiele sind Obst- und Gemüsenetze aus Zellulose oder Frischhalteboxen aus Polymilchsäure.
Biologisch nicht abbaubare Biokunststoffe
Diese Biokunststoffe basieren auf nachwachsenden Rohstoffen. Sie sind nicht biologisch abbaubar, können aber in bestehende Recyclingprozesse eingebunden werden. Solche Stoffe werden häufig konventionellen Kunststoffen beigemischt. Man unterscheidet vier Gruppen:
- Biobasiertes Polyethylen und Polypropylen (Bio-PE, Bio-PP): Bio-PE und Bio-PP sind vielseitig einsetzbar – beispielsweise für Folien und Behälter für Lebensmittel. Diese Biokunststoffe basieren auf Bioethanol aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben.
- Biobasiertes Polyethylenterephtalat (Bio-PET): Bio-PET ist ein Biokunststoff auf Basis von Bioethanol. Er wird beispielsweise dem Material von konventionellen PET-Getränkeflaschen beigemischt.
- Polyethylenfuranoat (PEF): PEF ist derzeit noch nicht kommerziell erhältlich, gilt jedoch als Verpackungsmaterial der Zukunft. Dieser Biokunststoff basiert zu 100 Prozent auf pflanzlichen Rohstoffen und hat ähnliche technische Eigenschaften wie PET. Zudem lässt er sich gemeinsam mit diesem recyceln.
- Bio-Polyamide (Bio-PA): Bio-PA können gänzlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Sie eignen sich unter anderem für hochfeste Fasern. Anwendungen in der Lebensmittelverpackung sind beispielsweise Tragtaschen, Beutel oder Netze.

Biologisch nicht abbaubare Biokunststoffe – hier zum Beispiel als Material für ein Gemüsenetz – lassen sich recyceln. Foto: Yulia Lisitsa / iStock
Beispiele für nicht biologisch abbaubare Biokunststoffe
Ein Beispiel für eine Verpackung auf Basis eines biologisch nicht abbaubaren Biokunststoffs ist die PlantBottle™ Getränkeflasche. Sie besteht bis zu 30 Prozent aus Materialien pflanzlichen Ursprungs und ist komplett recyclebar. Eine weitere Anwendung sind etwa Getränkeflaschen aus PEF für sauerstoffempfindliche Getränke wie Bier oder Fruchtsaft.
Ein Blick in die Zukunft
Die Entwicklung von Biokunststoffen für die Verpackung von Lebensmitteln ist ein Schritt in Richtung Klimaschutz. Ihr Einsatz ist jedoch nicht uneingeschränkt als ökologisch vorteilhaft zu bewerten. Ob ein Biokunststoff in puncto Nachhaltigkeit tatsächlich besser abschneidet als herkömmlicher Kunststoff, lässt sich nur im Einzelfall und mit konkreten Ökobilanzen belegen.
Wertvoller Humus bildet sich beim Abbau eines Biokunststoffs nicht. Dazu kommt: Trägt ein Biokunststoff die Bezeichnung „kompostierbar“, so bezieht sich das in der Regel auf industrielle Kompostieranlagen. Es bedeutet nicht automatisch, dass sich das Produkt auch im heimischen Kompost zersetzt. Daher dürfen solche Produkte weder im Biomüll noch auf dem Komposthaufen im Garten landen.
Fest steht: Die Forschung und Entwicklung zu Biokunststoffen läuft auf Hochtouren. Derzeit dominieren biobasierte Kunststoffe auf Stärke- und Zellulosebasis den Markt. Künftig können verstärkt weitere Wege erschlossen werden. Dazu zählt beispielsweise die Verwertung von Reststoffen aus Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung in Bioraffinerien oder die Produktion von Biokunststoffen mithilfe von CO2.
Tipp: Erkennen von Biokunststoffen leicht gemacht
Beim Kauf von Produkten in Verpackungen aus Biokunststoffen bieten Zertifikate und Labels Orientierung. Zwei Beispiele:
- TÜV Austria: TÜV Austria vergibt verschiedene Labels für Biokunststoffe je nach biologischer Abbaubarkeit oder Kompostierbarkeit (industriell sowie zu Hause).
- European Bioplastics: Das bekannteste Logo ist das Keimling-Zeichen für kompostierbare Biokunststoffe von European Bioplastics. Produkte, die eine Zertifizierung nach Din EN 13432 durchlaufen, dürfen dieses führen. Dafür genügt der Nachweis, dass sich die Kunststoffprodukte in industriellen Kompostieranlagen zersetzen. Nach 12 Wochen sollen 90 Prozent der Masse in Kohlendioxid umgewandelt sein.
- Bergmair, Johannes, Washüttl, Michael und Wepner, Beatrix: Prüfpraxis für Kunststoffverpackungen. Hamburg: Behr’s Verlag (2004)
- Biokunststoffe in Österreich. Ein Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz. Herausgegeben vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, vom Jänner 2015 (abgerufen am 21. Februar 2020)
- Bioplastics marked data. Zahlen und Fakten zu Biokunststoffen auf european-bioplastics.org (abgerufen am 21. Februar 2020)
- Endres, Hans-Josef und Siebert-Raths, Andrea: Technische Biopolymere. Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften. Hanser Verlag (2009)
- Wundermaterial Biokunststoff – Nischenprodukt oder Werkstoff der Zukunft? Dossier im Online-Wissensmagazin Scinexx vom 14. Oktober 2016 (abgerufen am 21. Februar 2020)
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