Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe, im Interview.

Foto: Katharina Schiffl

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Ankerbrot: Gut verankert in die Zukunft

Was macht eine starke Marke aus? Welche Rolle spielt Regio­nalität? Und was sind aktuelle Trends? Darüber sprach die Zeit­schrift DIE ERNÄHRUNG mit Walter Karger, Geschäfts­führer der Ankerbrot Gruppe.

Sie feiern heuer mit Ankerbrot 130 Jahre – ein stolzes Jubiläum! Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Walter Karger: Mutige Entscheidungen zu treffen, das hat die Firma Ankerbrot schon immer ausgezeichnet, und das haben schon unsere Gründer bewiesen. Sie haben investiert und es als Erste geschafft, das Bäckerhandwerk zu automatisieren. Auch wir müssen – gerade in dieser schwierigen Zeit – investieren und mutige Entscheidungen treffen, denn das liegt in der DNA unseres Unternehmens. Wie sagt man so schön, was einen nicht umbringt, macht einen stärker – in diesem Sinn kommen starke Marken oftmals noch stärker aus einer Krise wieder heraus.

Ein zweites Erfolgsgeheimnis ist unser Personalkapital. So haben wir beispielsweise über 80 Bäckerinnen und Bäcker bei uns beschäftigt, die teilweise schon Jahrzehnte im Unternehmen sind und die ein unglaubliches Know-how in die tägliche Arbeit einbringen. Die meisten haben wir auch selber ausgebildet. Aktuell sind es rund 20 Bäckerlehrlinge, die bei uns ihre Ausbildung durchlaufen und die auch regelmäßig bei Wettbewerben gewinnen. Insofern ist eine Bäckerausbildung bei Ankerbrot ein echtes Gütesiegel, auf das man stolz sein kann.

Auch der wertschätzende Umgang miteinander ist ein ganz wichtiger Aspekt. Wir bei Ankerbrot begegnen einander auf Augenhöhe mit flachen Hierarchien und pflegen trotz unserer Unternehmensgröße einen fast familiären Umgang miteinander.

Wie sagt man so schön, was einen nicht umbringt, macht einen stärker – in diesem Sinn kommen starke Marken oftmals noch stärker aus einer Krise wieder heraus.

Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe, im Interview.

Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe

Wie gehen Sie als Ankerbrot mit Trends um? Wie reagieren Sie auf diese?

Karger: Ankerbrot war immer schon Trendsetter und ein Pionier der Bäckereibranche. Besonders stolz sind wir auf unsere Natursauerteiganlage, die Ankerbrot 1978 als erstes Bäckereiunternehmen entwickelt und in 14 Ländern patentiert hat. Dabei wird seit über 40 Jahren durch ein Rohr kontinuierlich Roggenmehl und Wasser gepumpt und ohne jegliche Zusatzstoffe zu Natursauerteig verarbeitet.

Dieses Herzstück der Ankerbrotbäckerei wird von erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund um die Uhr 365 Tage im Jahr gehegt und gepflegt. Nichts wird dem Zufall überlassen, gilt es doch, die etwa 300 speziellen Aromen, die sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt haben, durch die Steuerung der Temperatur je nach Brotsorte perfekt zu entfalten. Unsere Bäcker und Bäckerinnen wissen – mehr Kälte bedeutet mehr Säure im Endprodukt, mehr Wärme führt zu einem milderen Ergebnis. Hier sind Fingerspitzengefühl und Know-how gefragt.

Welchen Veränderungen sehen Sie sich gegenüber?

Karger: Das Filialgeschäft hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Eine Bäckereifiliale ist nicht mehr in erster Linie der Ort, wo man einfach nur Brot und Semmeln einkauft. Es geht vielmehr da­rum, den Ort in seinem Grätzel zu finden, wo man sich wohlfühlt, wo es noch eine persönliche Beziehung zwischen Verkäuferin oder Verkäufer und Kundin oder Kunde gibt, wo das angeboten wird, was aktuellen Konsumbedürfnissen entspricht.

Saisonalität spielt bei uns ebenfalls eine große Rolle. Auch Regionalität ist ein Kernthema. So beziehen wir unsere Rohstoffe, soweit es möglich ist, aus Österreich, bei Mehl sind es 100 Prozent. Als Filialist heißt Regionalität für uns aber auch Präsenz vor Ort, in jedem Grätzel. Wir sind sehr stolz auf unseren nunmehr 130 Jahre langen Beitrag zur Lebensqualität der Menschen in und außerhalb von Wien.

Worin sehen Sie die Herausforderungen für die Branche insgesamt und für Ihr Unternehmen im Speziellen?

Karger: Die große Unbekannte ist die Zeit nach der Coronakrise. Wir können derzeit noch nicht abschätzen, wie sich die Kundenfrequenz und das Konsumentenverhalten dauerhaft verändern werden. Denn das Einkaufsverhalten hat sich durch die Lockdowns und die Homeoffice-Tätigkeit verändert. Die „kleinen“ Einkäufe auf dem Weg in oder von der Arbeit fallen weg. Man geht weniger oft einkaufen und kauft dafür eher mehr auf einmal. Auch das One-stop-Shopping hat sich durch Corona verstärkt. So stellen wir auch eine Verschiebung hin zu abgepackten Produkten aus dem Supermarkt fest. Dazu kommt, dass wir als Unternehmen ja bereits intensiv an der Verlagerung des Produktionsstandorts arbeiten. Ein sehr großes und herausforderndes Projekt – das uns aber gleichzeitig den Weg in die Zukunft weist.

Wo sehen Sie Chancen für Innovationen?

Karger: Wir beobachten derzeit den starken Wunsch nach Vertrautem, nach dem Geschmack, den man schon seit Kindheit kennt. Deshalb suchen wir oft nach alten Rezepten im eigenen Haus oder übersetzen gelernte Geschmäcker in moderne Produktformate. Ein gutes Beispiel sind unsere Wiener Mehlspeisen – das sind Neuinterpretationen für unterwegs in Form von Germknödel, Mohnnudeln, Buchteln oder auch Kaiser­schmarren. Allesamt in der praktischen Muffinform.

Wir beobachten derzeit den starken Wunsch nach Vertrautem, nach dem Geschmack, den man schon seit Kindheit kennt. Deshalb suchen wir oft nach alten Rezepten im eigenen Haus oder übersetzen gelernte Geschmäcker in moderne Produktformate.

Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe, im Interview.

Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe

Welche technologischen Veränderungen hat es in den letzten Jahren gegeben? Was werden Sie im Zuge des Neubaus Ihres Produktionsstandorts ändern, was wird bleiben?

Karger: Während es früher vor allem um Quantität ging, ist der Anspruch heute ein ganz anderer. Es geht um Qualität, Nachhaltigkeit und Saisonalität mit spannenden neuen Zutaten unter Einhaltung höchster Hygienebedingungen. Dies muss eine moderne Bäckerei auch technisch umsetzen können. In unserem geplanten Neubau können wir noch besser auf modernste Standards antworten. Ein gutes Beispiel, was neue Technologien angeht, ist der Verpackungsbereich, wo in Zukunft mit entkeimter Luft gearbeitet werden soll. Damit wird die Haltbarkeit der Backwaren auf natürliche Weise verlängert.

Wie gehen Sie mit den Themen Gluten und Zöliakie um? Welche Bedeutung hat „vegan“ im Sortiment?

Karger: Bei echter Glutenunverträglichkeit, also Zöliakie, muss die oder der Betroffene auf Gluten komplett verzichten und ausschließlich zu glutenfreien Produkten greifen. Da in diesem Fall selbst Spuren von Gluten zu heftigen Reaktionen des Körpers führen, ist die Produktion von glutenfreien Produkten in einer herkömmlichen Produktion nicht umsetzbar. Die Produkte können auch nur verpackt angeboten werden. Was uns betrifft, so setzen wir auf Methoden zur besseren Bekömmlichkeit – Vorteige, Quellstücke oder Langzeitführungen des Teiges sind konkrete Beispiele.

Was das Thema vegan angeht, so waren wir die Ersten, die alljährlich zur Faschingssaison einen veganen Krapfen anbieten, eindeutig erkennbar durch seine quadratische Form. Auch Mehlspeisklassiker wie das Ribiseltascherl, das es seit den 1970er-Jahren in unseren Filialen gibt, sind vegan. Mit unseren gefüllten We­ckerln bieten wir einen bunten Mix an Produkten für Vegetarier, Veganer, aber natürlich auch für Fleischtiger an.

Wie wichtig sind für Ihr Unternehmen Herkunftskennzeichnung und Regionalität? Wie gehen Sie damit um?

Karger: Der Fokus auf regionale Herkunft wird in Zukunft sicherlich eine noch größere Bedeutung für die Kaufentscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten haben. Für uns bei Ankerbrot war und ist das aber immer schon eine Selbstverständlichkeit. Wir verarbeiten ausschließlich österreichisches Mehl und setzen auch bei den restlichen Rohstoffen, wann immer es möglich ist, auf österreichische Herkunft.

Welche Bedeutung hat für Sie der Standort Österreich insgesamt?

Karger: Wir sind im Herzen Wiens. Das betrifft sowohl unseren Produktionsstandort wie auch unsere Filialen. Fast 90 Prozent unserer ANKER-Filialstandorte befinden sich in Wien. Zusätzlich ist Ankerbrot auch ein wichtiger Partner des Lebensmitteleinzelhandels, der besonderen Wert auf österreichische Qualität legt.

Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Karger: Besonders gerne esse ich das ANKER-Briochekipferl, ab und zu gönne ich mir auch unsere Riesen-Nussschnecke. Klassiker sind generell ganz oben auf meiner Hitliste – zum Beispiel Rindsrouladen mit Bandnudeln, die hat meine Oma immer ganz besonders großartig gekocht.

Weitere Informationen zum Unternehmen: ankerbrot.at

Über Walter Karger

Ing. Walter Karger ist seit 2018 Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe. Nach seiner Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur startete der gebürtige Wiener seine berufliche Karriere im Controlling bei Unilever. Es folgten weitere Stationen als CFO bei Avanti, Geschäftsführer bei Forstinger sowie Geschäftsführer der Austro Holding. Ab 2013 war Walter Karger im Aufsichtsrat der Ankerbrot Gruppe, fünf Jahre später übernahm er die operative Geschäftsführung.

  • Dieses Interview ist die gekürzte Version eines Beitrags aus der Zeitschrift „Die Ernährung“, Volume 45, 1/2021. Die sechs Mal jährlich erscheinende Fachzeitschrift informiert über aktuelle Entwicklungen bei Lebensmitteln in den Bereichen Wissenschaft, Recht, Technologie und Wirtschaft. Das gesamte Gespräch sowie Informationen zum Abo finden Sie hier: ernaehrung-nutrition.at.
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