Herbert Bauer als Obmann und Walter Scherb als Obmann-Stellvertreter des Verbands der Getränkehersteller Österreichs (VGÖ) im Interview

Foto: Verband der Getränkehersteller Österreichs (VGÖ)

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Getränke: Nachhaltige Verpackungen auf dem Vormarsch

In der Pandemie zeigten sich die Unter­nehmen der Getränke­branche als krisenfeste Lieferanten. Über neue Heraus­forderungen sprachen Herbert Bauer und Walter Scherb, Obmann und Stell­vertreter des Verbands der Getränke­hersteller Österreichs (VGÖ) mit der Zeitschrift REGAL.

Ab 2024 gibt es eine gesetzliche Mehrwegquote. Inwieweit ist die Getränkeindustrie auf die Nachfrage des Handels vorbereitet?

Herbert Bauer: Als österreichische Getränkeindustrie sind wir stolz, dass wir – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – bereits auf fundiertes Wissen und breite Erfahrung beim Mehrwegmodell zurückgreifen können. Bei einigen Sortimenten sind die Quoten bereits heute sehr gut, bei anderen ist Potenzial für den weiteren Ausbau gegeben. Um die Kapazitäten der Industrie weiter zu erhöhen sind Fördermaßnahmen des Bundes eine wichtige Voraussetzung, um zeitnah die erforderlichen Investitionen tätigen zu können. Nachdem die erste Förderrunde im ersten Halbjahr 2022 bereits in kurzer Zeit deutlich überzeichnet war, gibt es nun erneut Förderungen im Ausmaß von 20 Millionen Euro.

Walter Scherb: Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang zu betonen, dass die Erfüllung von Mehrwegquoten ein Pfeiler zur Erreichung der österreichischen Nachhaltigkeitsziele ist. Drei weitere wichtige Aspekte sind die Vermeidung von nicht unbedingt erforderlichem Verpackungsmaterial, die kontinuierliche Erhöhung von Recyclingfähigkeit von Getränkeverpackungen und die Erhöhung des Einsatzes von Recyclingmaterial, Stichwort rePET bei PET-Getränkeflaschen. Hier wurden in Österreich in den letzten Jahren durch zielgerichtete Verbesserungen großartige Erfolge, weit über den derzeitigen gesetzlichen Anforderungen, erzielt.

Inwiefern sind zusätzliche Fördermaßnahmen notwendig?

Bauer: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die österreichische Getränkewirtschaft gemeinsam mit den Partnern im Handel beim Erreichen der gesetzlichen Mehrwegquoten ja nicht bei null beginnt, sondern bereits auf den beachtlichen Sockel von circa 20 Prozent Mehrweganteil (Quelle: ARGE Nachhaltigkeitsagenda) aufbauen kann. Das Globalziel ist eine Mehrwegquote von insgesamt 30 Prozent im Gesamtmarkt im Jahr 2030. Grundsätzlich ist bei unseren Mitgliedsbetrieben der Informationsbedarf nach Mehrwegförderungen groß.

Beim Erreichen der gesetzlichen Mehrwegquoten fangen wir nicht bei null an. Wir haben einen beachtlichen Sockel von circa 20 Prozent Mehrweganteil.

Herbert Bauer, Country General Manager bei Coca-Cola HBC Austria, im Interview

Herbert Bauer, Obmann beim Verband der Getränkehersteller Österreichs (VGÖ)

Die regulatorischen Anforderungen steigen. Stichwort „Tethered Closure“.

Scherb: Ein Blick in die Regale zeigt: Einige Anbieter haben diese Anforderungen bereits umgesetzt. Gleichzeitig erreichen uns viele Fragen von Endkonsumentenseite zu den neuen Verschlusskonzepten, die uns zeigen, dass noch Hintergrundinformationen fehlen. Seitens der Industrie erachten wir eine klare und abgestimmte Kommunikation der Hersteller, idealerweise gemeinsam mit dem Handel, als sinnvoll. Wichtig ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher verstehen, dass die neuen, am Gebinde verbleibenden Verschlüsse, wir nennen sie „Bleibt-dran-Verschlüsse“, gewollt sind, um zu vermeiden, dass diese in der Natur landen.

Bauer: Das Einwegpfand wird im Rahmen des Abfallwirtschaftsgesetzes Anfang 2025 kommen. Inhaltliche, organisatorische, rechtliche Vorarbeiten dazu sind seit langem im Gange, in konstruktiver Atmosphäre zwischen den wichtigen Stakeholdern. Diese sind das BMK (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), die Kurie Rücknehmer und die Kurie Erstinverkehrbringer (= „Industrie“).

Wie ist der aktuelle Stand bei der PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation)?

Bauer: Der aktuelle Entwurf enthält Maßnahmen und Zielvorgaben, die aus unserer Sicht zu wenig die jeweiligen nationalen Marktgegebenheiten reflektieren. So hat Österreich bereits ein recht hohes Niveau an Mehrweg und ein Einwegpfandsystem rechtlich auf den Weg gebracht – das muss in der EU-Verpackungsverordnung reflektiert sein.

Scherb: In diesem Prozess sind zudem eine große Zahl nationaler und internationaler Stakeholder zu berücksichtigen. Als Verband sind uns natürlich unsere Mitgliedsbetriebe in Österreich besonders wichtig. Dazu kommt die Rückendeckung der jeweiligen internationalen Dachverbände, die wiederum auf europäischer Ebene tätig werden. Dazu zählen beispielsweise SoftDrinksEurope oder die Natural Mineral Waters Europe (NMWE).

Wie sieht es mit dem Kostendruck durch Rohstoff- und Materialpreise aus?

Scherb: Die volatile Situation auf den Beschaffungsmärkten nach über zwei Jahren Coronapandemie und aufgrund der geopolitischen Situation durch den Ukrainekrieg stellte 2022 die gesamte Branche vor riesige Herausforderungen. Die Aufrechterhaltung der Produktion und Lieferfähigkeit der Hersteller bei einer gleichzeitig noch nie dagewesenen Preissituation erforderte die enge Zusammenarbeit mit unserer gesamten vorgelagerten Lieferkette. Viele unserer Betriebe sind dafür in finanzielle Vorleistung gegangen.

Als Industrie sind wir stolz, dass wir das im abgelaufenen Jahr weitgehend abbilden und gleichzeitig einen wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten konnten. Dabei können wir uns nicht vorstellen, dass 2022 ein Getränkeunternehmen in Österreich seine Gewinnspanne erhöhen konnte. Eine tatsächliche Beruhigung der Kostensituation sehen wir aktuell noch nicht. Daher ist es uns besonders wichtig, weiterhin gut mit allen Beteiligten entlang der Supply Chain zusammenzuarbeiten und transparent zu informieren.

Eine tatsächliche Beruhigung der Kostensituation sehen wir aktuell noch nicht. Daher ist es uns besonders wichtig, weiterhin gut mit allen Beteiligten entlang der Supply Chain zusammenzuarbeiten und transparent zu informieren.

Walter Scherb Junior, Geschäftsführer von Spitz, im Porträt.

Walter Scherb, Obmann-Stellvertreter beim Verband der Getränkehersteller Österreichs (VGÖ)

Sind Sie für eine Erhöhung des Pfandes auf Mehrweggebinde?

Bauer: Das Pfand auf Standard-Mehrweg-Glasflaschen ist seit Jahrzehnten unverändert und sollte neu bewertet werden. Einerseits ist der Mehrwegsektor der Teuerungsentwicklung unterworfen, sodass die aktuelle Pfandhöhe bei weitem nicht mehr den Wiederbeschaffungskosten von Neuglas (oder in weiterer Folge Neukisten) entspricht. Andererseits ist zu vermuten, dass in den nächsten drei Jahren durch die verpflichtende Mehrwegquote, und erst recht durch das Einwegpfand in der Höhe von 25 Cent, neue Lenkungseffekte entstehen.

Zu den Personen

Herbert Bauer leitet seit September 2020 als General Manager die Geschäfte von Coca-Cola HBC in Österreich. Walter Scherb ist seit 2019 CEO des Getränkeproduzenten Spitz.

  • Dieses Interview ist ein Beitrag aus dem Branchenmagazin „Regal“ für Handel & Industrie, Ausgabe 1/2023.
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