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Die Ukraine ist ein wichtiges Agrarland in und für Europa. Als einer der größten Getreideexporteure der Welt gilt die Ukraine auch als „Kornkammer Europas.“ Der Grund dafür sind die fruchtbaren Schwarzerde-Böden. Die ukrainischen Ackerflächen sind etwa so groß wie ein Viertel der Gesamtackerfläche der Europäischen Union. Nach Eisen und Stahl sind Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais, Gerste, Raps, Sonnenblumen oder Obst das zweitwichtigste Exportgut des Landes.
Österreich pflegt seit vielen Jahrzehnten gute Geschäftsbeziehungen mit der Ukraine. Für die heimische Lebensmittelindustrie ist vor allem der Import von Agrarrohstoffen und Halbfabrikaten für die Weiterverarbeitung wichtig. Im Jahr 2021 beliefen sich die gesamten Agrarimporte Österreichs aus der Ukraine (Zollkapitel 1-24) auf 87 Millionen Euro (+ 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum).
Die in der Ukraine angebauten Sonnenblumen liefern mit ihren Kernen die Basis für die Erzeugung von hochwertigem Speiseöl. Foto: Cherries / Adobe Stock
An erster Stelle bei den Importwaren der Lebensmittelindustrie stehen Apfelsaftkonzentrat aus Äpfeln von österreichischen Plantagen in der Ukraine sowie tiefgekühlte Früchte für die Herstellung von Konfitüren oder Fruchtzubereitungen. Gerade Fruchtzubereitungen oder Fruchtsaftkonzentrat werden von österreichischen Betrieben vor Ort produziert und nach Österreich und in andere Teile der Welt geliefert. Auch folgende Waren werden laufend in den heimischen Produktionsstätten benötigt: ölhaltige Früchte (Sonnenblumen und Mais) für die Herstellung von Speiseölen, Sojabohnen für die Herstellung von Futtermitteln oder Walnüsse für die Produktion von Backwaren.
Der Import von Getreide aus der Ukraine ist für Österreich kaum relevant. Fehlende Getreidemengen werden in der Regel aus unseren unmittelbaren Nachbarländern wie Süddeutschland oder Ungarn zugekauft.
Importware | Warenwert (in Millionen Euro) |
---|---|
Fruchtsäfte und -konzentrate | 20,0 |
Tiefgekühlte Früchte | 19,6 |
Speiseöle und ölhaltige Früchte | 10,8 |
Sojabohnen (für Futtermittel) | 6,2 |
Walnüsse und Mehle daraus (für Backwaren) | 5,6 |
Zeitraum: 2021 (vorläufige Daten)
Quellen: Statistik Austria, Fachverband der Lebensmittelindustrie
Beim Export von Agrarrohstoffen und Lebensmitteln spielt die Ukraine für Österreich eine untergeordnete Rolle. 2021 beliefen sich die Exporte von Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie auf 40 Millionen Euro (+ 16,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Die Ukraine ist beim Exportranking der wichtigsten Drittstaaten für die österreichische Lebensmittelindustrie an vierzehnter Stelle. Damit liegt der Anteil der Ukraine am österreichischen Gesamtexport von Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie bei lediglich 0,5 Prozent.
Die gesamte Agrar-Außenhandelsbilanz Österreichs mit der Ukraine war 2021 fast ausgeglichen. Die Ein- und Ausfuhren hielten sich die Waage: Agrarexporten in Höhe von fast 80 Millionen Euro standen Agrarimporte aus der Ukraine in Höhe von 87 Millionen Euro gegenüber.
Importe | Exporte | Außenhandelsbilanz | |
---|---|---|---|
Gesamter Agrarsektor (Zollkapitel 1-24) | 87,0 | 79,6 | -7,4 |
davon Agrarwaren (Zollkapitel 1-15) | 56,4 | 39,5 | -16,9 |
davon Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie (Zollkapitel 16-24) | 30,6 | 40,0 | +9,5 |
Zeitraum: 2021 (vorläufige Daten)
Quellen: Statistik Austria, Fachverband der Lebensmittelindustrie
Einige heimische Lebensmittelunternehmen sind in der Ukraine mit Vertriebsniederlassungen vertreten oder betreiben vor Ort eigene Obstplantagen. Darunter fallen beispielsweise Fruchtsaftproduzenten oder Hersteller von Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentraten. Für die Plantagen der österreichischen Unternehmen werden laufend auch landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, Anlagen- sowie Ersatzteile aus Österreich in die Ukraine geliefert.
Russland ist für die österreichische Lebensmittelindustrie vor allem als Exportmarkt wichtig. Im Jahr 2021 belief sich das Exportvolumen auf 161,2 Millionen Euro (+ 21,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Russland liegt damit beim Exportranking der wichtigsten Drittstaaten für die österreichische Lebensmittelindustrie an der vierten Stelle (hinter den USA, der Schweiz und Großbritannien).
Der Anteil der Lebensmittelexporte nach Russland an den österreichischen Gesamtexporten von Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie beträgt aktuell 1,9 Prozent. Das ist etwa vier Mal so viel wie die österreichischen Exporte nach China oder Japan mit je 0,5 Prozent Anteil.
In Österreich hergestellte Würzzubereitungen werden in großer Menge nach Russland exportiert. Foto: Candice / Adobe Stock
Lebensmittel, Futtermittel und Getränke werden aktuell nach Russland exportiert. Zu den wichtigsten Exportprodukten der österreichischen Lebensmittelindustrie gehören Lebensmittel- und Würzzubereitungen, Tierfutter, Energy Drinks, Schokoladenerzeugnisse und Gewürze. Diese Bereiche sind derzeit nicht von Sanktionen betroffen, allerdings ist der Zugang nach Russland erschwert, da dieser bisher großteils über die Ukraine erfolgte.
Exportgut | Warenwert (in Millionen Euro) |
---|---|
Würzzubereitungen | 39,5 |
Lebensmittelzubereitungen | 30,4 |
Alkoholfreie Erfrischungsgetränke | 27,3 |
Zubereitungen zur Tierfütterung | 27,2 |
Schokoladenwaren | 20,6 |
Gewürze | 15,7 |
Zeitraum: 2021 (vorläufige Daten)
Quellen: Statistik Austria, Fachverband der Lebensmittelindustrie
Die Agrarimporte Österreichs aus Russland (Zollkapitel 1-24) sind mit rund 15 Millionen Euro Volumen nicht so bedeutend wie der Export, dessen Summe sich auf das Siebzehnfache beläuft. Das wichtigste Importprodukt ist russischer Wodka.
Die gesamte Agrar-Außenhandelsbilanz Österreichs mit Russland war 2021 deutlich positiv. Agrarexporten in Höhe von fast 254 Millionen Euro standen Agrarimporte aus Russland in Höhe von rund 15 Millionen Euro gegenüber.
Importe | Exporte | Außenhandelsbilanz | |
---|---|---|---|
Gesamter Agrarsektor (Zollkapitel 1-24) | 14,7 | 253,9 | +239,2 |
davon Agrarwaren (Zollkapitel 1-15) | 9,3 | 92,7 | +83,4 |
davon Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie (Zollkapitel 16-24) | 5,4 | 161,2 | +155,8 |
Zeitraum: 2021 (vorläufige Daten)
Quellen: Statistik Austria, Fachverband der Lebensmittelindustrie
Die Versorgung Österreichs mit hochwertigen Lebensmitteln in ausreichender Menge ist auch in der Krise zu jedem Zeitpunkt gesichert. Das vielfältige heimische Lebensmittelangebot steht den Konsumentinnen und Konsumenten in gewohnter Menge und Qualität zur Verfügung. Dennoch sind viele Betriebe der heimischen Lebensmittelindustrie direkt von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs betroffen. Darüber hinaus gibt es indirekte Effekte auf viele Bereiche der österreichischen Wirtschaft. Eine Übersicht der wichtigsten Folgen:
Der bewaffnete Konflikt wirkt sich unmittelbar auf die Entwicklung der Energiepreise aus. Erdöl und Gas, Strom und Treibstoff haben sich massiv verteuert und es ist noch kein Ende des Aufwärtstrends absehbar. Alle diese Energiefaktoren sind jedoch notwendig für die Produktion und den Transport von Lebensmitteln.
Dazu kommt die Unsicherheit in Bezug auf die Energieversorgung. 80 Prozent des Gases bezieht Österreich aus Russland. Wie es mit den russischen Gaslieferungen weitergeht, ist ungewiss. Viele Prozesse der Lebensmittelindustrie sind sehr energieintensiv und erfordern den Einsatz von Gas – von der Verarbeitung der Rohstoffe bis zum Kühlen fertiger Produkte. Kommt es im Worst-Case-Szenario zu einer Unterversorgung Österreichs, so haben die Privathaushalte beim Gasbezug Vorrang. Falls die Industrie ihre Produktion herunterfahren muss, kann dies in weiterer Folge auch die Herstellung von Lebensmitteln treffen.
Die Ukraine hat als Agrarland große Bedeutung für die EU. Durch die hohen Erntemengen an Rohstoffen bestimmt die Ukraine die Preisbildung am europäischen Markt wesentlich mit. Dies betrifft vor allem Getreide (wie Weizen), Obst (wie Äpfel und Beeren) sowie Ölsaaten (wie Sonnenblumen, Mais und Raps). So erreichten die Getreidepreise mit dem russischen Einmarsch neue Höchststände. Auch Russland ist ein wichtiges Agrarland und beeinflusst die internationale Preisbildung auf den Getreidemärkten sowie natürlich auch bei Erdöl und Gas.
Aktuell fallen Lieferungen von Rohstoffen beziehungsweise von für deren Verarbeitung benötigten Produkten aus. Dadurch verknappt sich das Angebot am europäischen Markt, was zu Verteuerungen führt. Die Hersteller sind gezwungen, auf andere alternative Beschaffungsmärkte umzusteigen. Wo dies möglich ist, kostet es zusätzlich und treibt die Preise weiter in die Höhe. Zusätzlich zur Kostensteigerung der letzten Monate aufgrund der Coronapandemie hat der Ukraine-Krieg einen weiteren Preisschub bei Agrar- und Lebensmitteln gebracht.
Die Krise betrifft auch die Arbeitskräfte. Ukrainische Geschäftspartner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden aufgrund des Kriegs zum Militär einberufen. Dadurch fehlen ihre Kapazitäten vor Ort in der Produktion, in der Logistik sowie auf den Plantagen und bei der täglichen Feldarbeit. Aufgrund der Kriegshandlungen haben viele Unternehmen die Produktion in der Ukraine gestoppt und lokale Vertriebsstandorte geschlossen. Die Folgen sind Produktions- und später auch Ernteausfälle.
Zusätzlich hat die österreichische Landwirtschaft einen hohen Anteil an ukrainischen Erntehelferinnen und Erntehelfern. Es ist davon auszugehen, dass die benötigten Helferinnen und Helfer wegen des Kriegs und seiner Folgen fehlen werden.
Derzeit ist der Personen- und Güterverkehr in der Ukraine eingeschränkt. Auch österreichische Unternehmen sind von internationalen Lieferkettenproblemen betroffen. Zudem stammen im Bereich der Logistik und des Transports viele Fahrer aus der Ukraine. Sie fehlen nun auch am europäischen Markt.
Aufgrund des Ukraine-Kriegs kam der Güterverkehr/Transit durch das Land in Richtung Russland zum Erliegen. Dazu wurden die Kontrollen an den EU-Außengrenzen verschärft. Die Folge: Warenlieferungen nach und aus Russland – sofern sanktionsbedingt noch möglich und notwendig – verzögern sich zeitlich.
Durch den Ukraine-Krieg und den Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ist der Rubelkurs zuerst massiv gesunken und hat sich zuletzt durch Stützungsaktivitäten Russlands wieder etwas stabilisiert, bleibt jedoch stark volatil. Das trifft auch die heimischen Exporteure: Wenn sich die Menschen in Russland österreichische Lebensmittel nicht mehr leisten können, wird die Nachfrage und somit auch der Absatz sinken.
Treffsichere Prognosen über die weitere Entwicklung sind aus heutiger Sicht nicht möglich. Aufgrund des Ukraine-Kriegs ist die wirtschaftliche Lage in Europa von hoher Unsicherheit und Dynamik geprägt, was die Planbarkeit für viele Lebensmittelhersteller unmöglich macht. Die in diesem Beitrag angeführten Folgen entsprechen dem derzeitigen Wissensstand. Wir werden die weiteren Entwicklungen beobachten, um die Fakten auf „Österreich isst informiert“ laufend für Sie zu aktualisieren.
Industrie
Angesichts des Ukraine-Kriegs wächst die Sorge um die Gasversorgung. Für die Produktion von Lebensmitteln und Getränken benötigt die Lebensmittelindustrie Erdgas. Der Grund sind energie- und temperaturintensive Prozesse.
weiterlesenVerantwortung
Bei nur 1,4 Prozent der gesamten Lebensmittelproduktion Österreichs handelt es sich um vermeidbare Lebensmittelabfälle. Wie entstehen diese und was unternehmen die Hersteller dagegen? „Österreich isst informiert“ klärt auf.
weiterlesenHerstellung
Vom gleichbleibenden Geschmack über den sicheren Genuss bis hin zur vielfältigen Auswahl: Erfahren Sie hier, welchen Nutzen die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln für Sie als Verbraucherin oder Verbraucher bringt.
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