Foto: Tobias Abel / Flickr
„Du sollst das Fett deines Nachbarn nicht verzaubern oder verfälschen.“ Dieses Gebot findet sich unterschiedlich formuliert in den ältesten Quellen des Lebensmittelrechts im Altertum – dem babylonischen Codex Hammurabi sowie Tontafeln der Hethiter aus dem 18. Jahrhundert vor Christus. Ihre Überlieferungen zeigen: Der Schutz der Bevölkerung vor Verfälschungen stand von Beginn an im Fokus des Lebensmittelrechts.
So stellte der Codex Hammurabi – eine Sammlung von Rechtssprüchen auf Steinstelen – beispielsweise das „Bierpanschen“ bereits unter harte Strafen. Bei den alten Ägyptern war die Verarbeitung von Brot und Bier als Grundnahrungsmitteln für den Staat und die Priesterschaft streng gesteuert und kontrolliert. Auch im alten Rom war die Lebensmittelversorgung bis ins Kleinste geregelt: Die Garküchen und Läden des Viktualienmarktes standen unter Aufsicht und die zum Verzehr untauglichen Lebensmittel wurden beschlagnahmt und vernichtet.
Bäckerschupfen in Wien: Der Bestrafte wurde in einen hölzernen Käfig gesteckt und in die Donau getaucht. Foto: Moriz Bermann, original held and digitised by the British Library
Im Mittelalter kamen in Europa Bäcker an den Pranger, wenn ihr Brot nicht den Vorgaben entsprach. Wer Brot mit zu geringem Gewicht oder von minderwertiger Qualität herstellte, wurde öffentlich an den Pranger gestellt. In Wien wurde der Beschuldigte zumeist in einen hölzernen Käfig gesteckt und mit einem Hebel in die Donau bei der Roßau getaucht, und das oft gleich mehrmals. Man nannte dies auch „Bäckerschupfen“ oder „Bäckertaufe“. Die Bevölkerung feierte solche Anlässe vielfach als eine Art von Volksfest, wie alte Darstellungen der Stadt Wien zeigen. Das letzte Bäckerschupfen fand 1773 statt, erst Joseph II. schuf diese Strafe ab.
Als Vorläufer für das moderne Lebensmittelrecht wird vielfach der venezianische Staat angeführt. Er schuf angesichts der Pest 1490 eine ständige Gesundheitsbehörde, die dem übrigen Europa lange Zeit als Vorbild diente. Zu einer regelrechten Kunst wurde die Nachahmung von Lebensmitteln im 16. und 17. Jahrhundert. Kolonialwaren wie Kakao, Tee, Kaffee und Gewürze boten sich damals für lukrative Fälschungen an. Mit der Ausbildung des Städtewesens entwickelten sich auch die Lebensmittelkontrolle und das Lebensmittelrecht weiter.
In Wien wurde 1839 das Marktamt als zentrale Aufsichtsbehörde etabliert. Es ist damit eine der ältesten städtischen Einrichtungen. Zunächst für die Verwaltung der Wiener Märkte verantwortlich, wurden seine Aufgaben sukzessive erweitert: Ende des 19. Jahrhunderts reichten diese von der Lebensmittelpolizei über die Einhebung von Marktgebühren bis zur Markt-, Sanitäts- und Veterinärpolizei.
Der Gedanke eines übergeordneten Lebensmittelrechts trat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund. Ein Grund war, dass die Lebensmittelverfälschungen in ganz Europa anstiegen. Dazu trugen die Fortschritte auf dem Gebiet der Chemie ebenso bei wie die zunehmende Entkoppelung der Produktion und des Konsums von Lebensmitteln. Im Jahr 1891 wurde das Österreichische Lebensmittelbuch (auch Lebensmittelcodex oder Codex Alimentarius Austriacus) begründet – bis heute eine wichtige Säule der heimischen Lebensmittelpolitik. Ein umfassendes verschriftlichtes Lebensmittelrecht entstand in Österreich 1897. Davor gab es nur Einzelregelungen, zum Beispiel für bestimmte Warengruppen.
Im 20. Jahrhundert wurde das österreichische Lebensmittelrecht laufend vertieft und weiterentwickelt. Ein Meilenstein in der Rechtsentwicklung war das Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975). Es legte die Eckpunkte der heute geltenden Gesetzgebung fest. Ziel der Regelungen war weiterhin der Gesundheitsschutz und Täuschungsschutz. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 wurde eine Vielzahl an europäischen Vorgaben übernommen und zu einem umfassenden Regelwerk ausgebaut. Im Jahr 2006 wurde das LMG 1975 durch das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) abgelöst. Dieses regelt in vertiefter Form und im Einklang mit den EU-Vorgaben die Anforderungen an Lebensmittel und normiert Sanktionen, wenn sie nicht eingehalten werden.
Mittlerweile zählen Lebensmittel zu den am höchsten regulierten Konsumgütern in der EU überhaupt. So gibt es auf europäischer Ebene mehr als 100 Gesetze und Verordnungen allein zur Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmitteln. Sie legen etwa fest, wie etwas produziert wird, welche Zutaten eingesetzt werden dürfen und wie die Deklaration von Produkten gestaltet sein muss. Fest steht: Das heutige Lebensmittelrecht ist – zumindest was seine Sanktionen betrifft – nicht mehr so drakonisch wie bei unseren Vorfahren. Dafür ist es aber um vieles detaillierter und umfangreicher. So können Sie sich als Verbraucherin oder Verbraucher auch weiterhin darauf verlassen, dass die österreichischen Lebensmittel und Getränke höchsten Sicherheitsstandards entsprechen.
Lebensmittel
Weit über 100 Gesetze und Verordnungen regeln die Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmitteln – und schützen so die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie gehören zu den am strengsten geregelten und kontrollierten Produkten in Europa.
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