Foto: Michael Sazel
Herr Boehm, als internationales Markenartikel-Unternehmen bietet Nestlé „von globalen Ikonen bis hin zu lokalen Favoriten“ eine breite Vielfalt an Lebensmitteln an. Welchen strategischen Linien folgen Sie dabei?
Cédric Boehm: Die wichtigsten Geschäftsbereiche für Nestlé in Österreich sind Kaffee und Tiernahrung. Strategisch ist aber auch das pflanzliche Produktsegment von großer Bedeutung für uns – damit zahlen wir auch in unsere globale Klima-Roadmap ein. Oft nicht bekannt in Österreich: Wir haben auch ein Health Science Business. Dabei geht es um Produkte für spezielle Ernährungsbedürfnisse – unsere Partner hier sind Apotheken und Krankenhäuser. In diesem Bereich hat Nestlé in den letzten Jahren auch viele spannende Akquisitionen getätigt.
Gibt es spezielle strategische Ansätze für Österreich?
Boehm: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir teilen diese Prioritäten mit unseren Kundinnen und Kunden, Lieferantinnen und Lieferanten sowie mit unseren Partnern. Nestlé hat dafür globale Strategien und Ziele, zu denen wir als österreichische Tochtergesellschaft unseren Beitrag mit Ambition leisten.
Derzeit sind Inflation und Preise speziell bei Lebensmitteln ein heiß diskutiertes Thema. Welche Auswirkungen hat die Situation bei Rohstoffen, Energie und Lieferketten auf die Produktion und die Kosten?
Boehm: Der gesamte Lebensmittelsektor ist mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert. Die Gründe für diesen starken Anstieg sind vielfältig: globale Lieferkettenprobleme, der Krieg in der Ukraine, steigende Energiekosten, Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Bei so vielen Variablen gibt es – vor allem kurzfristig – für niemanden entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette einfache Lösungen.
Wie gehen Sie als internationales Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?
Boehm: Das Komplexe an der heutigen Situation ist, dass wir mit sehr vielen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert sind. Was die enormen Kostensteigerungen angeht, so setzen wir alles daran, kostensparende Maßnahmen und Effizienzsteigerungen zu finden. Es wird aber weiterhin wichtig sein, in die Zukunft zu investieren, dabei muss man sich auf die richtigen Dinge fokussieren. Als internationales Unternehmen mit Aktivitäten in verschiedenen Produktkategorien und auf allen Kontinenten haben wir dafür die nötigen Ressourcen. Wir werden in die Entwicklung der Produkte unter den Aspekten der Nachhaltigkeit, des Klimas und der Gesundheit investieren.
Es wird weiterhin wichtig sein, in die Zukunft zu investieren, dabei muss man sich auf die richtigen Dinge fokussieren. Wir werden in die Entwicklung der Produkte unter den Aspekten der Nachhaltigkeit, des Klimas und der Gesundheit investieren.
Cédric Boehm, Geschäftsführer der Nestlé Österreich GmbH
Wie hat sich die starke Inflation auf die Umsätze ausgewirkt? Werden manche Produkte oder Produktgruppen jetzt stärker oder weniger stark nachgefragt?
Boehm: Wir sind ein Unternehmen, das für Konsumentinnen und Konsumenten jeder Kaufkraft da ist. Es ist Teil unserer Unternehmensstrategie, unsere Kundinnen und Kunden zu verstehen und relevante Produkte zum richtigen Preis anzubieten. Wir sehen weiterhin eine starke Nachfrage nach unseren Produkten, aber natürlich machen wir uns auch Gedanken über unser Portfolio, auch welche Formate wir anbieten.
Wie sehen Sie den österreichischen Markt? Gibt es hier im internationalen Vergleich spezielle Entwicklungen oder Tendenzen?
Boehm: Österreich hat einige Besonderheiten. Es gibt eine hohe Einzelhandelsdichte. Kaffee hat eine besondere Bedeutung. Die Menschen hier legen sehr viel Wert auf Regionalität und auf Bio. Auch das Interesse an pflanzenbasierten Produkten ist groß. Hier können wir mit unserem breiten Portfolio auf jeden Fall punkten.
Wie sehen Sie die Bedeutung des Binnenmarkts? Was würden Sie sich für die Zukunft von der EU-Politik wünschen?
Boehm: Für uns steigt die Bedeutung weiterhin, die Chancen und Möglichkeiten des europäischen Binnenmarkts zu nützen – das sehen wir auch so für die gesamte europäische Branche. Harmonisierte Regelungen sind in vielen Bereichen von Vorteil – nicht nur für uns, sondern auch für die Konsumentinnen und Konsumenten. Die Ausrichtung der Ressourcen nach den Chancen und Vorteilen des Binnenmarkts bietet auch eine wesentliche Gestaltungsrichtlinie.
Könnte eine verstärkte Ernährungsbildung helfen, dass die Menschen einen besseren Zugang zum Thema Ernährung entwickeln?
Boehm: Ernährungsbildung hat in der Tat eine wichtige Rolle zu spielen, und wir setzen uns auch für gesunde Ernährung und Ernährungsinformation ein – besonders mit Blick auf Kinder. Gemeinsam mit unabhängigen Partnern unterstützen wir Initiativen zur Ernährungsbildung von Kindern. In Österreich konkret arbeiten wir mit SIPCAN für das Schulprojekt „Jausentiger“.
Ernährungsbildung hat in der Tat eine wichtige Rolle zu spielen, und wir setzen uns auch für gesunde Ernährung und Ernährungsinformation ein – besonders mit Blick auf Kinder.
Cédric Boehm, Geschäftsführer der Nestlé Österreich GmbH
Sie positionieren Nestlé zunehmend zu Nachhaltigkeit. Welche Maßnahmen werden da gesetzt?
Boehm: Viele Maßnahmen passieren vor Ort, also dort, von wo wir unsere landwirtschaftlichen Rohstoffe beziehen. Nehmen wir Kaffee als Beispiel. Der Klimawandel setzt auch Kaffeeanbaugebiete unter Druck. Im Rahmen des NESCAFÉ Plans unterstützt NESCAFÉ, die größte Kaffeemarke von Nestlé, Kaffeefarmerinnen und Kaffeefarmer mit Schulungen und technischer Hilfe dabei, sich auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Das tun wir vor allem in den wichtigsten Herkunftsländern Brasilien, Vietnam, Mexiko, Kolumbien, Elfenbeinküste, Indonesien und Honduras. Aus diesen Ländern stammen 90 Prozent des Kaffees für die Marke.
Welche Rolle spielen dabei Verpackungen – von Glas über PET und Dose bis zum Verbundkarton?
Boehm: Verpackungen – auch Kunststoffverpackungen – spielen eine wichtige Rolle bei der sicheren Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und Getränken sowie bei der Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -abfällen. Wir wollen künftig aber weniger Verpackungsmaterial verwenden, vor allem weniger Neukunststoff. Dies gelingt beispielsweise durch das Weglassen überflüssiger Kunststoffdeckel, Zubehörteile, Schichten oder Folien. Wir arbeiten auch stetig daran, 100 Prozent unserer Verpackungen recycelbar oder wiederverwendbar zu machen.
Wie zufrieden sind Sie generell mit dem Standort Österreich?
Boehm: Sehr, wir sind in Österreich schon seit 140 Jahren präsent. Der Arbeitsmarkt zeichnet sich durch qualifizierte Arbeitskräfte aus, und die Zusammenarbeit mit Politik und Institutionen ist gut. Nachhaltigkeit wird in der Gesellschaft als ein wichtiges Thema anerkannt. Wir haben auch in den Standort investiert: Nespresso hat mit der Flagship Boutique im 1. Bezirk letztes Jahr das weltweit erste Nespresso Atelier-Konzept eröffnet, bei Nestlé haben wir dieses Jahr in ein neues Zentrallager gewechselt. Wir haben seit kurzem mit der Promedico mit Sitz in Graz auch ein neues Mitglied in der Nestlé Familie.
Haben Sie Wünsche an die Bundesregierung – speziell in Hinblick auf Energie und Wettbewerbsfähigkeit?
Boehm: Es ist wichtig, dass die Lebensmittelindustrie verlässlichen Zugang zu Energie hat. In einer Notfall-Situation sollte die Lebensmittelwirtschaft als versorgungs- und systemrelevanter Bereich eingestuft werden.
Was ist Ihr Lieblingsessen?
Boehm: Ich esse gern und von allem, mein Lieblingsgericht ändert sich je nach Saison.
Weitere Informationen zum Unternehmen: nestle.at
Cédric Boehm ist Geschäftsführer von Nestlé Österreich. Er absolvierte ein Wirtschaftsstudium in Lausanne (Schweiz) und sammelte breite Erfahrung in diversen Führungspositionen. Seit 2005 ist Boehm bei Nestlé und kann auf umfassende Managementerfahrung im Unternehmen zurückblicken. Nach verschiedenen internationalen Stationen war er als Zonenleiter für das Dairy-Geschäft verantwortlich. Dabei bereitete er die Einführung der auf Erbsenprotein basierenden Nestlé-Dairy Brand „WUNDA“ in Europa vor. Anfang 2022 übernahm Boehm die Geschäftsführung von Nestlé Österreich.
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