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Ob das angebliche Verbot von Zimtschnecken oder die Behauptung, man dürfe nicht mehr „Marmelade“ sagen: Über europäische Vorschriften für Lebensmittel kursieren unzählige Mythen. Dabei handelt es sich oft um Halbwahrheiten. In diesem Beitrag werden verbreitete Behauptungen über Lebensmittel in der EU einem Realitätscheck unterzogen.
Die von der EU vorgegebenen Qualitätsmerkmale für Gurken wurden 2009 abgeschafft. Foto: outsideclick / Pixabay
Die von der Europäischen Union vorgeschriebene Krümmung von Salatgurken wurde medial viel diskutiert. Die Initiative zur Festlegung von Qualitätsmerkmalen für Obst und Gemüse ging vom Handel aus. Der Grund: Möglichst einheitlich geformte Gurken konnten platzsparend verpackt und die Anzahl im Karton konnte einfacher berechnet werden. Daher wurden mit der Verordnung (EWG) Nr. 1677/1988 Qualitätsnormen für Gurken festgelegt. Auch Österreich hatte in den 1960er-Jahren ähnliche Vorgaben erlassen. Nicht zuletzt aufgrund der vielen Kritik hat die EU-Kommission 2009 die Einteilung von Gurken in Qualitätsklassen wieder abgeschafft. In der Praxis verwenden viele Großhändler die Vorgaben bis heute als interne Norm.
Es gibt kein Verbot der Europäischen Kommission von Pommes Frites. Es wurde lediglich die Zubereitung von Speisen geregelt, um einen allfälligen Acrylamidgehalt in zubereiteten Lebensmitteln zu senken. Foto: matthiasboeckel / Pixabay
Beim Braten, Frittieren, Backen oder Rösten stärkehaltiger Lebensmittel – wie Brot, Kartoffeln, Kuchen oder Kaffee – bei hohen Temperaturen kann Acrylamid entstehen. Im Jahr 2015 bewertete die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), dass es sich dabei um einen krebserregenden Stoff handelt. Aufgrund dessen erließ die Europäische Kommission die Verordnung (EU) 2017/2158 zur Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln. Damit werden weder Pommes Frites noch gerösteter Kaffee oder knusprige Backwaren verboten. Vielmehr geht es um eine schonende Zubereitung („vergolden statt verkohlen“) – die Speisen sollten nicht zu stark erhitzt und gebräunt werden.
Mit EU-Qualitätssiegeln werden traditionelle Spezialitäten wie die „Pizza Napoletana“ vor Nachahmung geschützt. Foto: u_ceb0xsd7 / Pixabay
Dass die Bezeichnung „Pizza Napoletana“ heute EU-weit geschützt ist, geht nicht auf eine „Verordnung von oben“, sondern auf die Initiative von Italien zurück. Denn mit der Aufnahme in das entsprechende EU-Register der Europäischen Kommission können traditionelle Spezialitäten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 vor Nachahmung geschützt werden. Neben der Pizza aus Neapel sind beispielsweise auch Spezialitäten wie österreichische Heumilch als „garantierte traditionelle Spezialität“ (g.t.S.) registriert. Trägt eine Pizza die Bezeichnung „Napoletana“ (oder eine daran angelegte Benennung), muss sie strenge Vorgaben erfüllen. Neben dem Durchmesser von maximal 35 Zentimetern ist beispielsweise auch die Höhe der Pizza sowie die Dicke des Teigrands definiert.
Der Anteil von in Zimt natürlich vorkommendem Cumarin darf 50 Milligramm pro Kilogramm in traditionellen beziehungsweise saisonalen Backwaren nicht überschreiten. Foto: LUM3N / Pixabay
Zimt enthält je nach Sorte mehr oder weniger natürliches Cumarin. Cassia-Zimt weist höhere Gehalte an Cumarin auf, während hingegen in Ceylon-Zimt geringe Mengen enthalten sind. Die EU hat weder Zimtschnecken noch Weihnachtskekse verboten, sondern für solche Produkte Höchstgehalte an Cumarin festgelegt. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 (Anhang III) über Aromen gilt für traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist, ein Höchstgehalt von 50 Milligramm pro Kilogramm. Weitere Höchstmengen wurden für Frühstücksgetreideerzeugnisse einschließlich Müsli (20 mg/kg), feine Backwaren – außer traditionelle bzw. saisonale Backwaren – (15 mg/kg) und Dessertspeisen (5 mg/kg) festgesetzt.
Gläser mit „Konfitüre“: Beim direkten Verkauf durch den Produzenten zum Beispiel auf Bauern- oder Wochenmärkten dürfen diese weiterhin als „Marmelade“ gekennzeichnet werden. Foto: RitaE / Pixabay
Die Richtlinie 2001/113/EG definiert Begriffe wie „Konfitüre“ oder „Marmelade“. Die Umsetzung der EU-Richtlinie erfolgte in Österreich durch die Konfitürenverordnung 2004 (BGBl II Nr. 367/2004). Bei „Marmelade“ gemäß Definition handelt es sich um Produkte, die aus Zitrusfrüchten hergestellt werden. In Österreich wird umgangssprachlich unter „Marmelade“ jegliche Art von Fruchtmarmelade (zum Beispiel Marille) verstanden. Daher war die Aufregung über das Verbot, „Marmelade“ zu sagen, groß. In der österreichischen Konfitürenverordnung wurde folgende Ausnahme geregelt: Produzenten, die direkt an Letztverbraucherinnen und Letztverbraucher auf lokalen Märkten wie Bauern- oder Wochenmärkten verkaufen, dürfen statt „Konfitüre“ die Bezeichnung „Marmelade“ verwenden.
Industrie
Seit drei Jahren bietet „Österreich isst informiert“ Fakten zu Lebensmitteln und deren Herstellung. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, im Gespräch über Hintergründe und Zukunftsvisionen.
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